24.09.08, Mainpost Würzburg-Stadt
Damit Behinderte wählen gehen

Eine etwas andere Wahlveranstaltung im St. Josef Stift Eisingen

Unter dem Thema „Wählen ist wichtig“ veranstaltete die Robert-Kümmert-Akademie (RKA) eine Wahlveranstaltung der etwas anderen Art. Denn die fünf Bezirks- und Landtagskandidaten sahen sich vor ungewohntem Publikum: Sie mussten den Fragen geistig behinderter Menschen Rede und Antwort stehen. „Viele Menschen mit geistiger Behinderung sind wahlberechtigt“, erklärte die Geschäftsführerin der Robert-Kümmert-Akademie, Christel Baatz-Kolbe, „damit ihre Wahlkarten nicht im Papierkorb landen, brauchen sie eine spezielle politische Aufklärung“.

Die Politiker mit drei der vielen Diskussionsteilnehmer: (3. von links) Elisabeth Schäfer, Robert Kremling, Eva-Maria Linsenbreder, Marco Graulich, Michael Gerr, die Organisatorin Maria Meisenzahl zusammen mit den beiden Geschäftsführern der Robert-Kümmert-Akademie, Christel Baatz-Kolbe und Geschäftsführer Bernhard Götz.
Die Politiker mit drei der vielen Diskussionsteilnehmer: (3. von links) Elisabeth Schäfer, Robert Kremling, Eva-Maria Linsenbreder, Marco Graulich, Michael Gerr, die Organisatorin Maria Meisenzahl zusammen mit den beiden Geschäftsführern der Robert-Kümmert-Akademie, Christel Baatz-Kolbe und Geschäftsführer Bernhard Götz.

Aus diesem Grund organisierte sie zusammen mit der Fortbildungsreferentin des RKA, Maria Meisenzahl, diese besondere Wahlveranstaltung im St. Josefs-Stift Eisingen. Nicht nur die Eisinger Bewohner, sondern auch die Würzburger Institutionen, insbesondere die Blindeninstituts-Stiftung, die Lebenshilfe Würzburg und die Wohnanlage Arche sowie Eltern behinderter Kinder und Mitarbeiter der Einrichtungen nutzen die Gelegenheit.

Die Parteienvertreter, Elisabeth Schäfer für die CSU, Eva-Maria Linsenbreder für die SPD, Marco Graulich für die FDP, Michael Gerr für die Grünen und Robert Kremling für die Freien Wähler, stellten sich den kritischen Fragen der behinderten Menschen. „Warum ist es so, dass behinderte Menschen in der Gesellschaft oft nicht ernst genommen werden?“, lautete die Frage eines Teilnehmers. Ein anderer konkretisierte den Sachverhalt: „Warum bekommen behinderte Menschen in der Werkstatt so wenig Geld – und das obwohl wir bald länger arbeiten müssen?“. Andere beklagten die langen Wartezeiten und komplizierten Antragstellungen für orthopädische Hilfsmittel oder Rollstühle.

Bewusstsein schärfen

Die Parteienvertreter stimmten den Beschwerden zu und versprachen, sich für ein geschärftes Bewusstsein für die Belange behinderter Menschen einzusetzen. Bezirksrätin Eva-Maria Linsenbreder thematisierte die derzeit schwierigen Verhandlungen im Bezirk, in denen es darum geht, Menschen mit schwerer Behinderung ein Recht auf den Besuch einer Förderstätte einräumen zu können. Die Behindertenbeauftragte des Landkreises, Elisabeth Schäfer, bot Angehörigen praktische Hilfe und Unterstützung bei Antragstellungen an.

Bezirkstagskandidat Michael Gerr, der aufgrund einer Querschnittslähmung auf den Rollstuhl angewiesen ist, versprach, sich für mehr Barrierefreiheit in den Städten und Verwaltungsgebäuden einzusetzen. Dies habe er bereits im Würzburger Stadtrat erfolgreich getan. Der sicherheitspolitische Sprecher der FDP Unterfranken, Marco Graulich, betonte die Notwendigkeit der Integration behinderter Menschen. Deshalb sprach er sich für integrierte Kindergärten aus. Robert Kremling, der Bezirkstagskandidat von den Freien Wählern, plädierte für eine Entbürokratisierung bei der Beantragung von Geldern und Hilfsmittel.

Auch die Angehörigen konfrontierten die Parteienvertreter mit ihren Sorgen. Der Geschäftsführer des St. Josefs-Stifts Eisingen, Bernhard Götz, plädierte im Bezug auf die derzeitigen Verhandlungen mit dem Bezirk nachdrücklich für eine klare Neuregelung für Förderstätten.

Förderstätten

„Wir erwarten, dass jeder schwerstbehinderte Mensch, der keine Werkstatt besuchen kann, ganztags in einer Förderstätte betreut und beschäftigt werden kann, wenn er dies möchte. Die Räume der Förderstätte sollten in einem eigenen Gebäude sein, um ihnen auch räumlich einen zweiten Lebensbereich zu ermöglichen.“ Am Ende der Diskussion bedankten sich die Politiker für das Gespräch: „Wir sind alle keine Experten. Wir brauchen Ihre Hinweise, um zu guten Ergebnissen zu kommen.“