18.02.01, Prima Sonntag
"Umsatzeinbußen von 25 Prozen"
Teure Sperrzeitverkürzung
Würzburg (sk) · Bei den Würzburger Wirten regt sich Unmut: Wer sein Lokal länger als 1.00 Uhr öffnen will, muss seit diesem Jahr eine teilweise doppelt so hohe monatliche Gebühr für die Verkürzung der Sperrzeit hinblättern! Die zu entrichtenden Gebühren bemessen sich nach den Öffnungszeiten, der Gastraumfläche und der Betriebsart des Lokals.
Ein Lokal mit bis zu 70 qm Schankfläche muss, wenn es bis 2.00 Uhr öffnen will, seit 1. Januar 160 DM zahlen (vorher waren es nur 80 Mark). Will der Wirt dieser Kneipe bis 3.00 Uhr ausschenken, zahlt er jetzt 215 DM statt bisher 130 DM. Ein städtischer Sachbearbeiter für Gaststättenrecht versteht die Aufregung nicht. "Es geht hier um eine Monatsgebühr, die man auf einzelne Tage umlegen muss."
Motto: "Sperrfrist ist Mist"
Marco Graulich (JuLis)
ist Mitinitiator der Protest-
aktion "Sperrfrist ist Mist"
Das wollen die Gaststättenbesitzer nicht so einfach hinnehmen. Bisher haben sich circa 50 Wirte zusammengeschlossen, um gemeinsam mit den Jungen Liberalen (JuLis) gegen die zusätzliche Bürde zu protestieren. In den Gaststätten selbst können sich Interessierte an ausgehängten Plakaten über die Nöte der Kneipiers und ihren Zwist mit der Stadtverwaltung erkundigen. Auch an Straßenständen in der Stadt können Nachtschwärmer per Unterschrift Solidarität bekunden. "Generell entspricht eine Sperrzeit nicht dem liberalen Gedanken", so Marco Graulich von den JuLis, "Jeder Wirt soll selbst entscheiden, wie lange er öffnet, solange der Lärmschutz gewahrt bleibt."
Über 1500 Nachtschwärmer haben sich
bereits an der Unterschriftenaktion beteiligt.
Zunächst planen die JuLis einen Antrag auf erneute Änderung der Gebührenregelung im Stadtrat. Langfristiges Ziel ist es, die bayerische Sperrfristregelung zu kippen. Schließlich widerspreche die Gebührenerhöhung dem Bundestrend: In Thüringen und Berlin gebe es überhaupt keine Sperrfristen mehr und selbst in Baden-Württemberg beginnt seit neuestem die Sperrfrist generell um 2.00 Uhr, an Samstag und Sonntag um 3.00 Uhr. "Das Ausgehverhalten der jungen Leute hat sich verändert, auch bei anderen Altersklassen geht der Trend von der Mittagsmahlzeit immer mehr zum Abendessen im Lokal, dem sollte Rechnung getragen werden durch eine zeitgemäße Sperrzeitenverordnung" fordert Rudolf Kneucker, Kreisvorsitzender der bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes für Würzburg. Den Hinweis der Stadtverwaltung, die Würzburger Gebühren hätten sich davor eindeutig am unteren Ende der bayerischen Städteskala befunden, will er nicht gelten lassen: "Ich glaube, dass diese Angabe untertrieben ist!"
Für Christof Seifert, den Geschäftsführer des Brazils, kommt eine frühere Schließung als bisher nicht in Frage, denn in der Szenekneipe wird der Umsatz erst ab 23 Uhr gemacht. Würde das Brazil um 1.00 Uhr schließen, käme das einer Umsatzeinbuße von 25 Prozent gleich. Bisher hat sich die Gebührenerhöhung noch nicht auf die Getränke oder Eintrittspreise niedergeschlagen.
Es sei aber durchaus möglich, dass Aktionen wie der "Blaue Montag" wegfallen würden. "Die Stadt will mit dieser Regelung meiner Meinung nach nicht nur Geld machen", so Seifert. "sondern auch die Nachtgastronomie von der Innenstadt an die Peripherie verdrängen. Aus Würzburg soll ein Provinzstädtchen gemacht werden."